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  1. Das wöchentliche Arthropoden-Bulletin/

Jahreszeiten

·3 min
Patrick

Heute ist ein sonniger, wolkenloser Tag, der die ersten Gedanken an den Frühling erlaubt, aber trotzdem fühlt sich Maria nicht wohl. Nach einem langen, erholsamen Schlaf schwirrt sie durch die erwachende Natur, ihre schwarzen Punkte auf dem leuchtend roten Panzer schimmern im Sonnenlicht. Sie ist ein Siebenpunkt-Marienkäfer, ein Insekt, das vom Frühjahr bis in den späten Herbst hinein in den Gärten und auf den Feldern zu finden ist. Doch die Jahreszeiten, so wie Maria sie kennt, scheinen aus dem Takt geraten zu sein.

Der Winter, der einst eine Zeit der Ruhe und des Rückzugs war, hat sich verändert. Die Kälte weicht schneller als je zuvor, und die Wärme des Frühlings kündigt sich früher an. Maria spürt, dass etwas nicht stimmt, auch wenn sie die Gründe nicht kennt. Es ist, als hätte die Natur ihre Uhr verstellt, doch niemand hat Maria den neuen Zeitplan geschickt.

Während sie von Blatt zu Blatt, von Blüte zu Blüte fliegt, bemerkt Maria, dass die Welt um sie herum stiller geworden ist. Viele der Insekten, die einst den Frühling begrüßten, sind weniger zahlreich oder erscheinen zu anderen Zeiten. Diese Veränderungen sind Teil eines größeren Musters, das Maria und ihre Freunde nicht verstehen. Die Jahreszeiten verschieben sich und die Lebensrhythmen aller Wesen geraten aus dem Gleichgewicht.

Maria und ihre Generation sind Zeugen einer neuen Normalität, einer, die von der vorherigen abweicht, ohne dass jedes Wesen es sofort bemerkt. Die Welt, in der sie leben, ist nicht mehr die, die ihre Vorfahren kannten. Das ist die Natur eines Wandels, der so träge vonstattengeht, dass er von manchen sogar unbemerkt bleibt. Jede Generation von Marienkäfern nimmt die Veränderungen als gegeben hin, ohne zu wissen, wie reich und vielfältig ihre Umwelt einst war. Sie vergleichen ihre Welt nicht mit der Vergangenheit, sondern nur mit dem, was sie von ihren ersten Tagen an kennen. Fehlende Sicherheit, weniger Mit-Insekten, härtere Lebensbedingungen, all das ist eine traurige Anpassung an eine immer ärmere Welt.

Maria tanzt auf dem Wind, unfähig, die volle Tragweite dessen zu verstehen, was um sie herum geschieht. Doch ihr Instinkt sagt ihr, dass der Tanz schwieriger geworden ist. Die Blumen, auf denen sie landet, die Luft, die sie trägt, die Sonne, die ihre Flügel wärmt — alles erzählt eine Geschichte von Veränderung, von Verlust, aber auch von der zähen Beharrlichkeit des Lebens. Plötzlich zieht ein männlicher Marienkäfer, der geschickt durch die Luft gleitet, Marias Aufmerksamkeit auf sich. Getrieben von einem spontanen Impuls, schließt sie sich seinem Flug an. Diese Begegnung lässt sie spüren, dass wie alle Veränderungen um sie herum auch die Frühlingsgefühle dieses Jahr früher kommen als für gewöhnlich.