Zum Hauptinhalt springen
  1. Das wöchentliche Arthropoden-Bulletin/

Die spanische Mücke

·3 min
Patrick

Ob Barcelona oder Bayern, Hauptsache Sonne. So lautet mein Motto. Mein Name ist Mio, und ich bin eine Schnake, genauer gesagt ein Vertreter der Tipulidae. In meinem Leben habe ich bereits die unterschiedlichsten Namen für mich gehört. Von Bachmücke über Pferdemücke bis hin zu Keilhacken oder Schneider — die Liste ist lang und bunt. Und jetzt, da ich mich unerwartet in Bayern wiederfinde, bin ich gespannt, welche Namen mir die Menschen hier geben werden. Vielleicht Amel oder Purks? Die Vorstellung amüsiert mich.

Meine Heimat ist Barcelona und meine Reise nach Bayern war nicht geplant. Eines Tages fand ich mich zufällig in einem Zugwaggon wieder, angezogen von der Wärme und dem geschäftigen Treiben am Bahngleis. Natürlich ist mir München vertraut, immerhin habe ich als Schnake, verzaubert von den lebhaften Fußballspielen, die flimmernden Bilder auf dem Fernsehschirm umtanzt, welche direkt aus dieser Stadt zu mir strahlten. Als der Zug schließlich am Münchner Hauptbahnhof ankam, war gerade Herbst, und die Stadt pulsierte vor Menschen, die zum Oktoberfest strömten. Als Single-Schnake habe ich den Luxus, mich auf neue Erlebnisse einlassen zu können, ohne direkt an eine Heimkehr denken zu müssen.

Während der Fahrt plagten mich Bedenken, dass es in Bayern zu kalt für mich sein könnte. Diese Angst quälte mich, denn ich wusste nicht, wie ich in einem fremden Klima zurechtkommen sollte. Aber als ich aus dem Zug flog, war ich überrascht, fast keinen Unterschied zu spüren. Die Sonne wärmte meine Flügel, und die Luft war erfüllt von den Geräuschen und Düften einer irgendwie bekannten Stadt. Es war, als hätte sich ein Stück Barcelona mit mir auf die Reise gemacht.

Ich bin eine belesene Mücke und ich bin bereits durch so manche Bibliothek gesummt, auf der Suche nach neuen Erkenntnissen. Natürlich habe ich auch schon von der Verschiebung der Klimazonen in Europa gelesen. Die Grenzen zwischen warm und kalt, zwischen Süden und Norden, scheinen immer mehr zu verwischen. Orte, die einst für bestimmte Arthropoden zu kalt waren, werden nun zu neuen Zufluchtsorten. Ich, eine spanische Schnake in Bayern, bin ein Beispiel für diese Verschiebung. So reizvoll das neue Abenteuer auch sein mag, die Realität des Klimawandels ist eine ernste Angelegenheit. Die Veränderungen in den Klimazonen bringen nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen und Risiken mit sich. Neue Ökosysteme entstehen, während andere bedroht sind.

Meine Zeit in Bayern war erfüllt von Entdeckungen und neuen Erfahrungen. Ich tauchte in Flora und Fauna ein, genoss ruhevolle Stunden im Englischen Garten, schwirrte zwischen den bunt geschmückten Bierzelten umher und lauschte den fröhlichen Gesängen der Menschen. Doch trotz der anfänglichen Faszination für dieses neue Land begann ich, Barcelona zu vermissen. Das Ende meiner Reise wurde eines Abends durch einen unerwarteten Herbststurm eingeleitet. Die plötzliche Abkühlung, ein Vorbote des nahenden Winters, brachte mich zum Nachdenken und ich sehnte mich nach meiner Heimat.

So endet meine bayerische Episode, ein Abenteuer, das mich lehrt, die Schönheit und Vielfalt der Welt zu schätzen, aber auch die Bedeutung von Heimat und Zugehörigkeit. Bayern wird mir als Land in Erinnerung bleiben, das mir zeigte, wie sich die Welt verändert, und wie wichtig es ist, diese Veränderungen zu verstehen und darauf zu reagieren. Mit einem letzten Blick auf die herbstliche Landschaft schwinge ich mich in die Lüfte und mache mich auf den Weg zurück zum Bahnhof. Ob ich den richtigen Zug in die Heimat finde? Zugleich hoffe ich, dass die Lokführer ihre Arbeit nicht niederlegen und so meine Rückreise verzögern. Schon bald, stelle ich mir vor, werde ich wieder durch die vertrauten Gassen Barcelonas schweben.