Tausendfüßer
Lat. „Myriapoda“
Unterstamm
des Stamms
„Gliederfüßer“
1 Unterstamm, 1 Überordnung, 1 Ordnung
Die Tausendfüßer (Myriapoda; auch Tausendfüßler) sind ein Unterstamm der Gliederfüßer (Arthropoda). Sie umfassen ausschließlich landlebende Formen mit einer meist zwei- oder höchstens dreistelligen Anzahl von Beinen.
Hierarchie
Bau der Tausendfüßer
Tausendfüßer besitzen einen Körper, der in zwei Abschnitte (Tagmata) gegliedert ist: Auf eine Kopfkapsel, die aus mehreren miteinander verschmolzenen Segmenten besteht, folgt ein in sich gleichartig (homonom) gegliederter Rumpf mit mindestens vier beintragenden Segmenten.
Zur Anzahl der Beine
Wie der Name andeutet, haben einige Tausendfüßer-Arten eine große Anzahl von Beinen. Jedoch hat nur die 2021 in Australien entdeckte Spezies Eumillipes persephone mehr als 1000 Beine (1306). Allerdings besitzen nicht alle Arten eine so große Zahl von Beinen. Gerade die ursprünglichsten, systematisch basalsten Gruppen besitzen nur relativ wenige Beinpaare. Man nimmt daher an, dass die hohe Beinzahl womöglich kein primitives, sondern ein in der Evolution erst später erworbenes Merkmal darstellt. Die Frage ist aber schwierig zu entscheiden, da bis heute keine Fossilien von Vertretern der Stammgruppe Tausendfüßer gefunden wurden. Innerhalb der Tausendfüßer gibt es Gruppen mit unterschiedlichen Entwicklungswegen:
Epimorphose: Die Tiere schlüpfen mit ihrer endgültigen Segment- und Beinanzahl aus dem Ei. Anamorphose: Beim Schlupf sind nicht alle Segmente vorhanden, ihre Anzahl nimmt bei Wachstum und Häutungen zu. Innerhalb der Anamorphose gibt es zwei unterschiedliche Wege: Hemianamorphose: Das Tier erreicht irgendwann eine artbedingt feststehende höchste Endzahl von Segmenten. Es häutet sich anschließend nicht mehr (Teloanamorphose), oder bei den folgenden Häutungen bleibt die Segmentzahl gleich. Euanamorphose: Das Tier gewinnt bei jeder Häutung Segmente hinzu, eine fixierte Endzahl ist nicht ersichtlich. Für Arten mit Euanamorphose existiert damit keine fixierte Beinzahl, diese ist individuell unterschiedlich. Innerhalb der Tausendfüßer sind u. a. folgende Gruppen zu unterscheiden:
Relativ geringe, fixierte Beinzahl, z. B. 12 Beinpaare bei den Symphyla, 15 bei den Scutigeromorpha und Lithobiomorpha (Chilopoda), 17–19 bei den Glomerida (Diplopoda). Die kleinste vorkommende Anzahl ist 8 bei den Pauropoda (vermutlich sekundär vermindert). relativ hohe, fixierte Beinzahl, z. B. 21 oder 23 Paare bei den Scolopendromorpha, 49 oder 51 bei zahlreichen Diplopoda. hohe, nicht fixierte Beinzahl: Diplopoden: bis 216 Beinpaare bei den Platydesmida, bis 380 bei den Siphonophorida und bis 653 bei den Polyzoniida (vgl. den Rekordhalter oben). In der Klasse der Chilopoden kommen bis 194 Beinpaare bei den Geophilomorpha vor. Bei Arten der Gattung Scolodendropsis (Chilopoda, Scolopendromorpha) konnte gezeigt werden, dass nahe verwandte Arten in derselben Gattung teilweise 21 oder 23, teilweise 39 oder 43 Beinpaare besitzen; hier liegt die Vermutung nahe, dass die Zahl der Segmente sich durch eine einzelne Mutation verdoppelt hat. Die Verhältnisse werden noch dadurch kompliziert, dass bei verschiedenen Myriapoden die Anzahl der Beine, der dorsalen Platten (Tergite) und anderer segmentaler Anlagen nicht übereinstimmen muss. Bei der Saftkugler-Gattung Glomeris entwickeln sich Dorsal- und Ventralseite im Embryo offensichtlich voneinander unabhängig, so dass gar keine fixierte Anzahl Segmente existieren muss, die beiden gemeinsam wäre.
Tausendfüßer-Massenvermehrungen
Fallweise kommt es zu Massenvermehrungen von Doppelfüßern, wahrscheinlich bedingt durch milde Witterungsverhältnisse und günstiges Nahrungsangebot. Durch das massenhafte Auftreten des Diplopoden Megaphyllum unilineatum fühlten sich die Einwohner im bayerischen Obereichstätt belästigt. Zusammen mit dem Wasserzweckverband errichtete die Gemeinde eine 200 m lange und 30 cm hohe Schutzwand am Ortsrand. Die Gemeinde Röns in Vorarlberg, Österreich, wurde seit dem Jahr 2000 über mehrere Jahre jeden Frühling von Cylindroiulus caeruleocinctus heimgesucht. Dort wurden die Tausendfüßer mit Raubmilben und Diatomeenerde bekämpft. In Deutschland wurden Massenwanderungen vor allem bei Ommatoiulus sabulosus und Cylindroiulus caeruleocinctus beobachtet, seltener bei Julus scandinavius, Julus scanicus und Ophyiulus pilosus. O. sabulosus wandert meist im Frühling und Sommer während besonders schwül-warmer Witterung. Bevorzugt werden helle steinige und sonnenbeschienene Flächen aufgesucht. Die Tiere klettern auch an Büschen, Bäumen und Häuserwänden hinauf, so dass sie auch oft über geöffnete Fenster in Innenräume gelangen. Die Schwärme setzen sich aus erwachsenen und fast erwachsenen Tieren zusammen. Da Weibchen in den Schwärmen überwiegen, wird daraus geschlussfolgert, dass die Suche nach geeigneten Habitaten für Paarung und Eiablage eine Ursache für die Massenwanderungen sein könnte. Möglicherweise führen günstige klimatische Bedingungen, wie mehrere milde Winter innerhalb weniger Jahre, zur Überpopulation, die schließlich das Schwärmen zur Suche freier Habitate auslösen.
Terrarienhaltung
In der Terrarienhaltung finden sich häufig sowohl große Vertreter der Riesenläufer (Skolopender) als auch große oder auffällig bunte Vertreter der Doppelfüßer. Vor allem letztere werden meist einfach als Tausendfüßer bezeichnet. Unter den Doppelfüßern sind besonders die größeren, tropischen Arten beliebt, die meistens zu den Spirobolida, Spirostreptida oder seltener auch den Bandfüßern oder Riesenkuglern gehören. Seltener werden auch heimische Arten gehalten, wobei hier vor allem die Saftkugler nennenswert sind. Doppelfüßer erfordern zwar, wie alle anderen Tiere auch, regelmäßige Pflege und eine artgerechte Unterbringung, weisen aber den Vorteil auf, sehr kostengünstig im Unterhalt zu sein. Sie benötigen weder Lebendfutter noch spezielle Beleuchtung, oftmals auch keine Heizung, wobei für die tropischen Arten Temperaturen über der Zimmertemperatur sehr zu empfehlen sind. Für manche heimischen Arten dagegen ist Zimmertemperatur bereits zu warm. Auf eine ausreichend große Beckengröße sollte auch geachtet werden. Als Futter reicht meistens das Bodensubstrat mit halbverrottetem Laub, weißfaulem Holz und gelegentlichen Gaben von Früchten oder Gemüse. Auch Katzenfutter oder Aas wird gefressen. Vor allem Totholz sollte vorhanden sein, ebenfalls ist eine Zugabe von Kalk in Form von Kalkpulver, zermörserten Eierschalen, Sepiaschalen oder Kalksteinen wichtig. Ist der Bodengrund bereits mit Kalk angereichert, reicht auch das aus. Die meisten Arten stammen aus feuchten Lebensräumen, daher ist eine hohe Luftfeuchtigkeit von Vorteil. Regelmäßiges Besprühen des Terrariums, ein feuchter, jedoch nicht staunasser Bodengrund sowie Versteckmöglichkeiten in Form von beispielsweise Holzstücken oder Steinen auf dem Boden komplettieren die meist einfache Haltung der Tiere. Da Doppelfüßer untereinander friedlich sind, ist eine Gruppenhaltung unproblematisch. Etwas anspruchsvoller ist die Haltung von Skolopendern. Diese benötigen zwar meist nicht viel Platz, können aber schmerzhaft und mit Folge von Vergiftungssymptomen zubeißen. Manche Arten gelten als relativ bissig, andere als eher friedlich. Eine Gewöhnung an den Menschen ist möglich. Dennoch ist im Umgang mit den schnellen und agilen Tieren stets Vorsicht geboten und das Tragen von Handschuhen bei Arbeiten im Terrarium zu empfehlen. Die Tiere sollten einzeln gehalten werden, da Kannibalismus vorkommen kann. Die Ernährung erfolgt über lebende Futterinsekten oder auch nestjunge Mäuse. Je nach Art empfehlen sich Wüsten- oder Regenwaldterrarien, die Temperaturen sollten über Heizmöglichkeiten reguliert werden. Unabdingbar ist eine Versteckmöglichkeit für die Tiere, z. B. in Form von Steinen auf dem Boden. Möglich sind dabei auch Glasplatten, unter denen sich die Tiere tagsüber verstecken und dennoch noch sichtbar sind.
Literatur
Donald T. Anderson (Hrsg.): Invertebrate Zoology. 2nd Edition. Oxford University Press, Melbourne u. a. 2001, ISBN 0-19-551368-1, Kap. 12, S. 275. Richard S. K. Barnes, Peter Calow, Peter J. W. Olive, David W. Golding, John I. Spicer: The invertebrates. A synthesis. 3rd Edition. Blackwell Science, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-632-04761-5, Kap. 8.5.3a, S. 181. Richard C. Brusca, Gary J. Brusca: Invertebrates. 2nd Edition. Sinauer Associates, Sunderland MA 2003, ISBN 0-87893-097-3, Kap. 18, S. 637. Wolfgang Dohle: Progoneata. In: Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. 2. Auflage. Gustav Fischer u. a., Stuttgart u. a. 2007, ISBN 978-3-8274-1575-2, S. 592–600. Janet Moore: An Introduction to the Invertebrates. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2001, ISBN 0-521-77914-6, Kap. 14.6, S. 217. Edward E. Ruppert, Richard S. Fox, Robert D. Barnes: Invertebrate Zoology. A functional evolutionary approach. 7th Edition. Thomson – Brooks/Cole, Belmont u. a. 2004, ISBN 0-03-025982-7, Kap. 20, S. 702. Shurá Sigling: PraxisRatgeber Tausendfüßer. Chimaira, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-89973-488-1.
Weblinks
Website mit Informationen über die Biologie, Systematik, Haltung und Zucht von Tausendfüßern Website der Internationalen Gesellschaft für Myriapodologie (englisch) Fossil von gigantischem Tausendfüßer in England entdeckt
== Einzelnachweise ==
Abstammungsdiagramm
Weitere Informationen
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